DFG-Projekt "Open Access- Transformation der Beteiligungsformen am wissenschaftlichen Kommunikationssystem", DFG-Förderkennzeichen TA 720 1/1

 

1. Fragestellung

Untersuchungsgegenstand des Projekts ist der Zusammenhang zwischen dem mit Open Access verbundenen Medienwandel und dem wissenschaftlichen Kommunikationssystem. Am Beispiel der in der Adaption von Open Access weit fortgeschrittenen Disziplinen Astrophysik und Mathematik soll der Frage nachgegangen werden, welche neuen Möglichkeiten und Restriktionen sich durch Open Access für Wissenschaftler ergeben, sich an der Kommunikation des Fach zu beteiligten. Die Bedingungen für eine solche Beteiligung unterscheiden sich in verschiedenen Ländern u.a. durch die jeweils zur Verfügung stehenden finanziellen Ressourcen. Daher wird ein Ländervergleich unternommen. Die Veränderungen der Beteiligungsformen von Wissenschaftlern aus einem Land mit einer umfangreichen Forschungsförderung (Deutschland) wird mit denen eines Landes verglichen, das zwar über ein differenziertes Wissenschaftssystem verfügt, dessen öffentliche Hand hinsichtlich des Volumens der Forschungsförderung aber weniger leistungsfähig ist (Südafrika). In Bezug auf die Wissenschaftssoziologie schließt das Projekt an die Diskussion um ein externalistisches vs. internalistisches Verständnis von Wissenschaft an. Mit Blick auf die Mediensoziologie wird ein Beitrag zur Beantwortung der Frage geleistet, wie spezifische Medieneigenschaften die prozessierte Kommunikation beeinflussen. Daneben ist es Ziel, Reflexionswissen für die den Medienwandel gestaltenden Akteure bereitzustellen.

 

2. Untersuchungsdesign

Die Beantwortung der obigen Forschungsfrage wird durch drei empirische Untersuchungsschritte angestrebt:

Mapping des mit Open Access verbundenen Medienwandels

In einem ersten Schritt wird der mit Open Access verbundene Medienwandel analysiert. Hierzu werden für beide Fächer die wesentlichen Open Access Publikationsmedien im Bereich der Selbstarchivierung und im Bereich der Open Access Erstpublikation (vorrangig so genannte Golden Road Open Access Journale) identifiziert. Die wesentlichen Merkmale der Publikationsmedien sowie deren Veränderung werden in einer Datenbank erfasst. Hierzu zählen das Entstehen oder Verschwinden einzelner Publikationsmedien, die Veränderung der Zugangsbedingungen, die Änderung der Besitzverhältnisse oder der Wechsel der Herausgeberschaft. Wo möglich, wird eine quantifizierende Vollerhebung angestrebt, um den Umfang und die Bedeutung des Medienwandels für das Fach abzuschätzen. Beispiele hierfür sind die Entwicklung des Anteiles an Open Access Journalen an den Journalen eines Fachs oder Umfang der Selbstarchivierung im Open Access Repositorien. Ihre Ergänzung findet diese Draufsicht auf die Publikationslandschaft durch exemplarische qualitative Analysen, die bestimmte Typen von Open Access Publikationsmedien in den Blick nehmen.

Quantitative Analyse von Publikationsbiographien

Ein Zugang zu den Auswirkungen des Medienwandels auf die Formen der Beteiligung von Wissenschaftlern am wissenschaftlichen Kommunikationssystem wird durch die Analyse von Publikationsbiographien gewonnen. Unter Publikationsbiographien werden dabei sämtliche, im Zeitverlauf einer wissenschaftlichen Karriere publizierten Beiträge zur formalen, öffentlichen Kommunikation eines Fachs verstanden. Die Publikationsbiographien bilden gewissermaßen die Sonden, mit denen untersucht wird, wie sich das Phänomen des mit Open Access verbundenen Medienwandels individuell abbildet.

Eine Publikationsbiographie gibt lediglich Aufschluss darüber, wie sich der Medienwandel auf der Ebene des einzelnen Falls auswirkt. Um die Effekte auf der übergeordneten Ebene des Kommunikationssystems der betreffenden Fächer in den Blick zu nehmen, wird in einem zweiten Schritt eine Aggregation unternommen und Gruppen von Publikationsbiographien miteinander verglichen. Praktisch durchgeführt wird dies durch ein Sample von 240 Wissenschaftlern, das sich wie folgt zusammensetzt: Für beide Disziplinen werden jeweils 120 Wissenschaftler ausgewählt, von denen 60 zu einem Zeitpunkt vor dem Medienwandel erstmalig am Kommunikationsprozess teilnehmen und 60 Personen, deren erstmalige Teilnahme in die Phase des Medienwandels fällt. Die Stichprobe setzt sich dabei hälftig zusammen aus Wissenschaftlern der Herkunftsländer Deutschland und Südafrika. Aufgrund der dreifach komparativen Anlage der Untersuchung ergeben sich somit 2 x 2 x 2 Gruppen von Wissenschaftlern, deren Publikationsbiographien miteinander verglichen werden.

Die Zusammensetzung der Gruppe erfolgt auf Basis einer geschichteten Zufallsauswahl. Die Grundgesamtheit, aus der die Ziehung vorgenommen wird bilden Wissenschaftler, die in einem bestimmten Referenzzeitraum mit mindestens zwei oder mehr Publikationen in den entsprechenden Subject Categories des Web of Science vertreten sind. Als Zusatzbedingung gilt, dass vor dem Referenzzeitraum keine im Web of Science verzeichnete Publikation vorliegen darf. Der Referenzzeitraum der ersten Gruppen von Wissenschaftlern (Beteiligung am Kommunikationssystem ist vor dem Medienwandel gegeben) reicht von 1983-1992, der der zweiten Gruppe (Beteiligung am Kommunikationssystem fällt in den Medienwandel) von 1996-2005.

Für den Vergleich kleiner Stichproben sind eine sorgfältige Zufallsauswahl und eine möglichst vollständige Ausschöpfung der Stichprobe von hoher Bedeutung. Aus diesem Grund werden die Mitglieder zunächst auf schriftlichem Weg über die Untersuchung informiert und um eine Beteiligung gebeten. In einem zweiten Schritt werden die Beteiligten per E-Mail um die elektronische Zusendung einer nach Möglichkeit vollständigen Publikationsliste gebeten. Zudem werden sie aufgefordert in ein webbasiertes Formular einige Informationen zu ihrem wissenschaftlichen Werdegang einzutragen.

Leitfadengestützte Experteninterviews

Durch die Analyse von Publikationsbiographien können zwar Veränderungen der Publikationsaktivitäten von Wissenschaftlern in den beiden Fächern feststellt werden. Eine Zurechnung von möglichen Veränderungen auf den mit Open Access verbundenen Medienwandel verbietet sich aber. Grund hierfür ist, dass Publikationsaktivitäten immer von einer Vielzahl von Faktoren abhängig sind, wie zum Beispiel generelle Trends in der Entwicklung von Forschungsfeldern, Veränderung wissenschaftlicher Fachorganisationen, Forschungsevaluationen, der Wandel akademischer Standards und vieles mehr. Aus diesem Grund werden leitfadengestützte Experteninterviews mit Wissenschaftlern der beiden Fächer durchgeführt, die einem doppelten Zweck dienen:

Zum einen wird mit den Interviews ein Zugang hergestellt zu den Hintergründen, Strategien und Orientierungen im Zusammenhang mit den eigenen Publikationsaktivitäten. Damit soll geklärt werden, welche Rolle der mit Open Access verbundene Wandlungsprozess im Kontext anderer Faktoren spielt und ob etwaige Veränderungen der Publikationsbiographien mit dem angesprochenen Wandlungsprozess im Zusammenhang stehen.

Zum anderen soll das Deutungswissen der Wissenschaftler in Bezug auf die unterschiedlichen Publikationsmedien erhoben werden. Damit soll geklärt werden, durch welche Art von Zuschreibungsprozessen bestimmte Publikationsmedien ihre Bedeutung im Rahmen des Kommunikationssystems eines Fachs gewinnen.